Wilhelm von Humboldt Chronologie
Anmerkungen zu einzelnen Ereignissen

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1797-08-01 AvH: "Bis Wien ging alles gern, froh und sicher. Die ganze Caravane blieb in Dresden und Prag beisammen. Wir mussten immer einen Tag später, als mein Bruder, abreisen, damit wieder ersetzt werden konnte, was die voreilenden aufgezehrt. In Wien brachte ich eine köstliche Zeit zu. Ich wohnte viele Wochen lang in Schönbrunn ...".
AvH erwähnt folgende Kontakte in Wien, zu denen ihn Wilhelm öfters begleitete: Dr. Johann Peter Frank (1745-1821) ist der Arzt der kränklichen Caroline, Nikolaus Joseph Freiherr von Jacquin (1727-1817), Joseph Franz Freiherr von Jacquin (1766-1839), Franz Josef Graf Saurau (1760-1832), Prof. Joseph Barth (1746-1818), Joseph van der Schot.
(Jahn, I. & Lange, F. G.: Jugendbriefe 1973, Brief von AvH an Carl Freiesleben vom 01.04.1798, Nr. 434, S. 614ff.
[Künftig zitiert: Jbr, Nr. 434, 01.04.1798, S. 614ff]).
Die Caravane: Alexander mit seinen gesamten Reise- und Instrumentengepäck; Alexanders Freund Reinhard von Haeften mit seiner Frau, zwei kleinen Kindern und Diener; Wilhelms Familie: er und Caroline mit drei kleinen Kindern (Caroline * 16.05.1792, Wilhelm * 05.05.1794 und Theodor * 19.01.1797), Kindermädchen Emilie, Hauslehrer Georg Christian Gropius (1776-1850)[?], die Freunde Wilhelm von Burgsdorff und Bildhauer Christian Friedrich Tieck. Alexander berichtet, dass sie in zwei Gruppen (die zweite am Folgetag der ersten) reisten, "damit wieder ersetzt werden konnte, was die vorauseilenden aufgezehrt." (ibid.)
Vermutlich waren sie mit mindestens drei Personenkutschen (W.s Privatkutsche, zwei Mietkutschen) und einem Lastenwagen unterwegs.
1797-10-10 Beleg für Abreise aus Wien an diesem Tag:
Brief von AvH an Carl Freiesleben: "Unsere Reiseplane haben sich garstig gekreuzt, und unsere Reisegesellschaft ist aus einander geflohen. Ich bin leider wieder von Wilhelm getrennt. Mein Bruder, meine Schwägerin und also auch Burgsdorf und der Bildhauer Dyk [Wilhelm von Burgsdorff und Christian Friedrich Tieck, die befreundet waren] sind vor 4-5 Tagen nach Paris über München, Schaf[f]haus[en], Zürich, Basel abgereiset. Sie kommen den 26. Nov. in Paris an." (Jbr, Nr. 419, 14.10.1797, S. 592)
1797-10-20 Beleg für Besichtigung des Salzbergwerks Berchtesgaden und die Charakterisierung Bayerns:
Brief von WvH an Schiller, München, 24.10.1797: Die Beschreibung der Berkwerksbesichtigung ist ziemlich ausführlich. (Freese, Rudolf: WvH. Sein Leben und Wirken, dargestellt in Briefen, Tagebüchern und Dokumenten seiner Zeit. Berlin, o.J., S. 298-300. [Künftig zitiert: Freese, 24.10.1797, S. 298-300])
1798-Herbst Johann Gottfried Schweighäuser (* 2. Januar 1776 in Straßburg; † 14. März 1844 ebenda) lernte bei seinem Vater, Johannes S., Professoor des Griechischen und der orientalischen Sprachen in Straßburg, Griechisch und Latein. Im Alter von 13 Jahren begann er sein Studium der Philosophie an der Universität Straßburg. Im Jahre 1792 meldete er sich freiwillig bei den französischen Streitkräften und beteiligte sich an zahlreichen kriegsbedingten Ereignissen in der Pfalz. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst (Sommer 1798?) zog er nach Paris, wo er vom Herbst 1798 bis erste Hälfte Mai 1799 kurzzeitig als Hauslehrer im Humboldtschen Hause lebte.
Vgl. Brief WvHs an Schweighäuser vom 15.05.1799: Schweighäuser befindet sich außerhalb von Paris (noch nicht in Straßburg). Er hat eine Tränenfistel (Dakryozystitis) und steht auf der Liste der "Conscribirten" (= der zum Militär einberufenen) und will seinen Abschied (vom Militär) erreichen. Auch hat er derzeit keinen Reisepass. Bislang hat er 5 Jahre im Militär gedient. WvH sieht das Anstellungsverhältnis für noch nicht beendet. Gleichwohl ist Gropius schon Hauslehrer. Humboldt und Schweighäuser haben eine Reise geplant, deren Realisierung durch die Umstände in Gefahr ist.
Die Angaben in Wikipedie DE, Wikipedie EN und Allgemeine Deutsche Biographie (ADB) sind diesbezüglich ungenau oder falsch. Am genauesten ist die Angabe von Anna von Sydow: Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, II, 196
1799-09-08 Die Begleiter:
Über den Diener Günther (vermutlich aus Burgörner) konnte ich nichts in Erfahrung bringen.
Emilie das Kindermädchen aus Auleben, wo die Humboldts ein Gut hatten, wird in den Ehebriefen 1803 letztmals erwähnt.
Georg Christian Gropius (* 20. März 1776 in Räbke; † 26. November 1850 in Athen), aus einer kinderreichen evangelischen Pastorenfamilie stammend, war "von 1797 bis 1801" Hauslehrer der Kinder Wilhelm von Humboldts. "Vier Jahre wirkte er als Hauslehrer" in der Familie Wilhelm von Humboldts; er begleitete die Familie auf der Reise durch Spanien und ließ sich von Wilhelm von Humboldts Begeisterung für die antike Kunst anstecken.
Unklar, ob Schweighäuser zeitweise (Herbst 1798 - Frühjahr 1799) paralell zu Gropius Hauslehrer bei den Humboldts war.

Belege:
A. v. Sydow: Gabriele von Bülow. Berlin 19.1919, S. 2-3; S. 3: Brief Carolines an ihren Vater vom 1.10.1799 aus Barèges (CvH-Brief 01).
Ibid., S.5-10 Brief Carolines an ihren Vater vom 11.11.1799 aus Madrid (CvH-Brief 02).
Ibid., S. 10-12 Brief Carolines an ihren Bruder Ernst vom 12.11.1799 aus Madrid (CvH-Brief 03).
Ibid., S. 10-12 Brief Wilhelms an den Schwiegervater vom 15.11.1799 aus Madrid (WvH-Brief 01).
Ibid., S. 10-12 Brief Wilhelms an den Schwiegervater vom 22.04.1800 aus Paris (WvH-Brief 02).
Ibid., S. 18-21 Brief Carolines an ihre Tante Fr. v. Goltz, geb. v. Dachroeden vom 29.05.1800 aus Paris (CvH-Brief 04).
Ibid., S. 21-23 Brief Carolines an ihren Vater vom 29.05.1800 aus Paris (CvH-Brief 05).
Brief Caroline an Lotte Schiller, 25.11.1799
Brief Wilhelm an Goethe, 28.11.1799
Brief Caroline an Schweighäuser, 26.01.1800
Brief Wilhelm an Schlabrendorf, 07.03.1800
Brief Caroline an Schweighäuser, 26.03.1800
Brief Wilhelm an Körner, 30.05.1800

Erzählung:
(CvH-Brief 01:) Auf dem Weg von Pau nach Bayonne bekommen die Kinder die Windpocken [Caroline ist schwanger!], daher 3 Tage Ruhe und Pflege der Kinder. Sie ist beeindruckt vom Anblick des Meeres mit Ebbe und Flut. Die Humboldts lassen ihren "ganz vortrefflichen Wiener Wagen" beim preußischen Konsul stehen und mieten eine spanische "Coche de colleras mit 6 Mauleseln" (das sei "die gewöhnliche Art in Spanien zu reisen"). Vorteile: 1. man schont den eigenen Wagen, 2. der Lohnkutscher, der immer eine Retourfuhre findet, ist um die Hälfte billiger, 3. stabil und groß für viel Gepäck (2 große und 1 kleinerer Koffer, 2 Vaschen, 1 Bettsack).

(CvH-Brief 02:) Mit den Maultieren ist es ein langsames Reisen "auf den schönsten und wohlunterhaltenen Chausseen", unangehmer sind die "schlechten Wirthshäuser". Überall fanden sie "hinlängliche Betten, deren wir immer wenigstens fünf Stück brauchen", reine Bettwäsche, und wo es nichts zu essen gab außer frische Eier und vortreffliche Trauben und Melonen. Zuweilen aßen sie vom eigenen Vorrat (geräuchertem Fleisch).

Die Stadt Segovia ist mehr barock als schön. Bemerkenswert der Aquädukt, obwohl Häuser und Hütten daran gemauert wurden.

In San Ildefonso einen Tag Aufenthalt für Besichtigung 1. Schloss ("elend"), 2. Garten (Ähnlichkeit mit Versailles), 3. die berühmte große Spiegelmanufaktur, 4. die Sammlung antiker Statuen in 9-10 Zimmern im Erdgeschoss des Schlosses (berühmt: Gruppe des Castor und Pollux, der Faun, die wunderschöne Leda).

Escorial: Aufenthalt 11 Tage. Wilhelm musste den 4.11., den Namenstag des Königs und Galatag, abwarten, um sich (wegen Alexanders Aufnahme mit "so außerordentlicher Distinction und Güte") der königlichen Familie vorzustellen.

Besichtigung des "Haus[es] des Prinzen" mit "niedliche[r] Sammlung von Gemälden und prachtvoller Einrichtung.

Caroline bekam für die Gemäldesammlungen im Escorial einen königlichen Einlassbrief, um "die Gemälde zu besehen und aufzuzeichnen". Die Kirche des Escorial, die Gruft des Pantheons der Könige und der Infanten. An den Abenden viel Gesellschaft. Am Abend des 4.11. besucht Caroline eine Komödie (die High Society war das Interessante). Ein Gesandtenposten hier ist unangenem und kostspielig, weil der Gesandte verpflichtet ist, den Hof zu begleiten: 3 mal im Jahr 1 Monat im Escorial, sonst San Ildefonso und Aranjuez. Cour-Tage gibt es nicht, "überhaupt eine ganz andere Etiquette als bei uns". Alexander in hohem Ansehen, 2 Briefe von ihm hier vorgefunden und einer, aus Cumaná, kam während des Aufenthalts im Escorial.

(CvH-Brief 03:) Dem Bruder erzählt Caroline ihre "kleine häusliche Einrichtung" in Madrid (kleine Wohnung, ein Zimmer mit Kamin!). Die Stadt sei nicht größer als Dresden. Sonst habe sie in Madrid nur Straßen gesehen und den Prado (wie man die große Promenade nennt), und abends haben sie mehrere Gesellschaften besucht.

Die Kleider der Spanier sei uniform (schwarzer Mantel der Männer, schwarze Basquiña [Rock] und schwarze oder weiße Mantilla [Schleiertuch]). Die Provinz Biscaya ist reinlich und wohlhabend, Kastilien ist öde, flach und langweilig. In Segovia erstmals wieder Bäume gesehen.

(WvH-Brief 01:) seit Ankunft in Madrid schönes Wetter, daher noch kein Kaminfeuer gebraucht.
Die "Ceremonie des sogenannten Handkusses" findet 6 mal im Jahr statt(am Geburtstag und Namenstag des Königs, der Königin und des Prinzen). Beschreibung der Zeremonie. Caroline fertigt auch in Madrid Bildbeschreibungen an und Wilhelm beschäftigt sich mit der span. Literatur. Es herrscht "großer Druck und gar keine Freiheit", "fast gar kein Buchhandel", für Wissenschaft und Kunst wendet der König große Summen auf, die Universitäten sind, gemessen an ihrer Größe gut mit Fondmasse ausgestattet.

Häuser, in denen sie manche Abende zubringen: Baron Schubart (dänischer Gesandter), Herr Humphrey (amerikan. Gesandter), Guillemardet (französ. Gesandter); span. Häuser: Prinzessin Castelfranco (geb. Gräfin Stolberg), Marquise Santa Cruz (geb. Gräfin Wallenstein aus Böhmen), Marquis Granda (Bankier, 15 Mio Livres Vermögen; Staatsrat) und Marquis Colonella.
Der jetzige Staatsminister, Urquijo, war ehemals Gesandtschaftssekretär in England und hat dort Alexander kennengelernt.
Die polit. Veränderungen in Frankreich stimmen Wilhelm optimistisch und zerstreuten seine Zweifel, ob er durch Frankreich nach Deutschland zurückkehren solle.

(CvH-Brief 04:) Tochter Caroline hat sehr gut Spanisch gelernt. Theodor (über dessen Größe sich Jedermann wundert [WvH-Brief 01]) spricht kaum eine Phrase in nur einer Sprache, sondern in Französisch, Deutsch und Spanisch. Seine Ausdrucksweise ist bunt und sehr possierlich.

(CvH-Brief 05:) Geburt der Tochter Adelheid am 17. Mai 1800. Groß und stark zur Welt gekommen. Name: Aurora Rafaele Adelheid. (Aurora = französ. und geboren bei aufgehender Sonne; Rafaele = span. und Andenken an eine liebe Spanierin; Adelheid = echt deutsch. Sie hat dunkelblaue Augen und braune Haare.


1802-11-25 La Storta: rund 20 Kilometer außerhalb der römischen Innenstadt an der Via Cassia.
1802-11-25(2) Quellen: siehe Philip Mattson: "Bloss zufällige Versäumniss"? Zwei unbekannte Briefe Wilhelm von Humboldts an Schiller. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 40 (1996) S. 14-29.
1802-11-25(3) Auf der schönen Website "Künstlerleben in Rom" von Barbara Koch Rachinger, im Abschnitt "Salonkultur und Kaffehausatmosphäre", wird auch der Einfluss von Karoline und Wilhem von Humboldt auf die deutsch-römische Künstlergruppe beschrieben (PDF). Dort steht: "Wilhelm fungierte zunächst als Ministerresident (ständiger diplomatischer Vertreter), ab 1806 als bevollmächtigter Minister Preußens beim Heiligen Stuhl." Es scheint nach Felschow/Hussong, dass WvH zunächst wie sein Vorgänger im Rang eines Preußischen Residenten abgeordnet war, im März/April 1805 wurde seine Position zum regulären Ministerresidenten erhöht. Am 10. April 1806 wurde er dann zum bevollmächtigten Minister ernannt. Beides war mit einer Gehaltserhöhung verbunden. Außerdem vertrat er die Interessen der Landgrafschaft von Hessen-Darmstadt und des neuen Fürstentums Nassau-Oranien-Fulda (Erlass und Genehmigung am 4. Juni 1803). Trotzdem blieb die Finanzausstattung nicht allzu üppig.
Felschow/Hussong: Italien im Bannkreis Napoleons. Die römischen Gesandtschaftsberichte Wilhelms von Humboldt an den Landgraf/Grossherzog von Hessen-Darmstadt (Bearb. von Eva-Maria Felschow u. Ulrich Hussong, hrsg. von der Hessische Historische Kommission Darmstadt) 1989.
Vergleiche auch: Geschichte der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl.
1806(1) Druck: Wilhelm von Humboldts Werkr. Hrsg. von Albert Leitzmann. Neunter Band. Gedichte. Berlin 1912 (Nachdruck: 1968). (= Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften. Hrsg. von der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften. Band IX. Erste Abteilung: Werke IX. Gedichte).
Oder Goethezeit-Portal.
Vgl.: Arnold Esch: Wege nach Rom: Annäherungen aus zehn Jahrhunderten. Band 1611 von Beck'sche Reihe, 2004, S. 112f. "Der traditionellen Rom-Klage stärker verhaftet bleibt Wilhelm von Humboldt. Seine Rom-Elegie von 1806 ist nun wirklich Klagegesang (der ihm in Prosa gewiß besser gelungen wäre): 'Wehmuth hat ihr Reich hier aufgeschlagen/Wehmuth flüstern tausend stumme Klagen.' Rom ist ihm - wie seinem Freunde Schiller - "ein Grab nur der Vergangenheit", das gegenwärtige Rom in seiner "heutigen Erbärmlichkeit" durchaus nicht "eine schöne Stadt zu nennen" und nicht weiter der Rede wert. ...
Größe, Erhabenheit, Einsamkeit, Stille, Klarheit, Tod, Ergriffenheit, Wehmut das sind Leitworte seiner reflektierten Begegnung mit Rom."
1813-07-12 12. Juli bis 22. August: Als preußischer Bevollmächtigter auf dem Prager Kongreß.
Am 18. Aug. 1813, nach Ankunft des König in Prag, erfährt Wilhelm vom Staatskanzler Hardenberg, dass ihm "der König [...] jetzt das Eiserne Kreuz und nach dem Frieden den Roten Adlerorden erster Klasse geben werde." (WvH an CvH 21.08.1813, Briefe IV,104) Wilhelm war nur an ersteren interessiert. Den anderen hat er wohl nicht bekommen.
  Wang, Peili: WvH und Cai Yuanpei. Eine vergleichende Analyse zweier klassischer Bildungskonzepte ... Münster, New York 1996 (Diss. 1995 Köln), S. 34f
(S. 34) Als Gesandter erwarb sich Humboldt allmählich die Zuneigung des Staatskanzlers Hardenberg und auch des Königs, da seine ausführlichen Berichte über die Situation von Hof und Regierung in Wien bei außenpolitischen Entscheidungen sehr nützlich waren. Die Entscheidung Russlands zur Fortsetzung des Krieges am 30. Dezember 1812, zwang Preußen auf die Seite Russlands Friedrich III. und Hardenberg wollten auch Österreich auf ihre Seite ziehen. Obwohl Metternich sich nur ungern von einem Preußen beeinflussen lassen wollte und nur nach den Interessen / (S. 35) Österreichs die Frage der Parteinahme für sein Land entschied, verzichtete Österreich auf seine bisherige Neutralität und wurde zum Verbündeten Preußens im Krieg gegen Frankreich. An dieser Entscheidung hatte Humboldt großen Anteil. Um seine Verdienste als hervorragender Diplomat herauszustellen, verlieh ihm König Friedrich III das Eiserne Kreuz. Da sich das Verhältnis von Humboldt und Hardenberg entspannt hatte, wurde Humboldt von 1813 bis 1815 zur rechten Hand Hardenbergs in der Außenpolitik. Zwar arbeitete er überall eng mit Hardenberg zusammen, durfte sogar als Assistent des schwerhörigen Staatskanzlers an allen internen Sitzungen der fünf Mächte teilnehmen, aber er hatte keinerlei entscheidenden Einfluss mehr auf die Politik.
  1813 stiftete der preußische König Friedrich Wilhelm III.(1770-1840) anlässlich des Befreiungskriegs gegen Napoleon das Eiserne Kreuz. Die Entwürfe, welche von der verstorbenen Königin Luise stammen, wurden von Schinkel überarbeitet.
  Das Eiserne Kreuz wird zwar unter den Militärverdienstorden aufgeführt, ist jedoch nach phaleristischer (ordenskundlicher) Auffassung kein Orden, sondern ein Ehrenzeichen, das auch, wie im Falle Wilhelms an zivile Personen für herausragende Leistungen im Zusammenhang mit dem Befreiungskrieg, verliehen wurde. Zum Orden wird das EK erst bei der Erneuerung im Jahre 1939.
1814-07-23 "Während des Wiener Kongresses besuchte Graf von der Schulenburg= / Closterode einmal den Freiherrn Wilhelm von Humboldt abends.! Als im [ihm] schon bekannter Vertrauter wurde er sogleich eingelassen, / fand aber in dem Arbeitszimmer, wo Humboldt sein sollte, / niemand. Da Papiere offen umher lagen, trat er sofort / wieder zurück, und rief den Diener, der sich über die Ab- / wesenheit des Herrn fast entsetzte, denn er sei gewiß nicht / ausgegangen. Während sie draußen laut reden, macht Humboldt die Thüre auf, sieht Schulenburg, und nimmt ihn herein. "Aber wo waren Sie denn eben?" fragt dieser. / Humboldt lacht, und versetzt: "Ihnen kann ich das wohl sagen!" öffnet eine verborgene Tapetenthüre, und führt ihn in ein schönes großes Zimmer, dessen Vorhandensein man um so weniger ahndete, als es im Nebenhause lag; Humboldt hatte die beiden aneinanderstoßenden Wohnungen gemiethet, und die Thüre durchbrechen lassen. In der einen Wohnung arbeitete er, in der andern ergötzte er sich, gesichert gegen jede Belästigung, jeden Eindrang. Er hatte soeben seine Lust gehabt in Anschauung antiker Nacktheit. Ein wunderschönes Mädchen, ganz entkleidet, hatte, auf einen Stuhl steigend, die Kerzen eines Kronleuchters anzünden müssen, und Humboldt hatte die Stellungen und Formen, die sich dabei zeigten, mit Ernst betrachtet. Er bot Schulenburg an, das Schauspiel wiederholen zu lassen, und dieser nahm es an. Sie setzten sich beide auf den Sofa (?), und ließen das entkleidete Mädchen abermals die Lüster anzünden. Schulenburg sagte, es sei wirklich sehr schön anzusehen gewesen. Es fiel weiter nichts vor.
Als die Lüster alle brannten, und sie genug gesehen hatten, zogen sich die Herren wieder durch die Tapetenthüre in die andere Wohnung [zurück], wo sie nun ihre Geschäfte ruhig besprachen."
(23. Juli 1810)
  [Anm. I. B.-M.] Friedrich Albrecht Graf von der Schulenburg (1772 -1853), sächs. Gesandter in Wien.
Datum kann nicht stimmen wegen des Wiener Kongresses! [GvH: 23.07.1814]
[Danach weiß man, was lüstern heißt, klassisch lüstern!!]
  [Anm. GvH] Friedrich Albrecht, Graf von der Schulenburg, aus dem mit ihm ausgestorbenen Haus Kloster-Roda, geb. 18. Juni 1772 zu Dresden, studierte in Leipzig und Wittenberg, wurde 1794 Attaché der kursächsischen Gesandtschaft in Wien, 1799 außerordentlicher Gesandter am dänischen und 1800 am russischen Hof, hielt sich 1804-10 in Frankreich auf, vertrat 1814 den König von Sachsen beim Wiener Kongreß und unterzeichnete 15. Mai 1815 den Traktat mit Preußen, Österreich und Rußland. Sodann ward er Gesandter in Wien, 1828 zum Konferenzminister ernannt, 1830 aber von Wien abberufen und in den Ruhestand versetzt. Er starb 12. Sept. 1853 auf seinem Gut Kloster-Roda.
Quelle: Meyers Konversationslexikon. Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892, 14. Band: [Rüböl - Sodawasser], Seite 647: "Schulenburg", URL: http://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=114559 (zuletzt besucht: 15.06.2012 15:47)
Siehe auch:
  [Anm. GvH] Das muss sich im Sommer 1814 zugetragen haben / (hören-sagen!) notiert worden sein. Hat Varnhagen den Diener interviewt?
Da Friedrich Albrecht Graf von der S.-Klosterroda in Klosterroda bei Eisleben im jetzigen Kreis Sangerhausen geboren ist, ist eine [relativ enge] Bekanntschaft der dortigen Schulenburgs schon mit Vater Dachroeden zu vermuten. Also wird Wilhelm ihn im Hause Dachroeden kennengelernt haben. Der Versuch einer (polit.) Zusammenarbeit der beiden in der Kongresszeit halte ich für wahrscheinlich.
  [Anm. I. B.-M.] Über die Tapetentür-Episode hat Varnhagen natürlich nicht den Diener befragt, das wäre unter seiner Würde gewesen. Nicht unter seiner Würde war es hingegen, pikante Gerüchte zu notieren. Wer geplaudert hat, lässt sich nicht feststellen. Schulenburg kommt dafür auch in Frage. Herren jener Tage haben über derlei Dinge nicht ungern geredet.
  [Anm. UvdB] Nein! Carl Friedrich von Dachroeden harmonierte mit Schulenburg-Erdeborn und Sch.-Schochwitz, nicht mit Sch.-Klosterroda. Besagter Klosterroda war Verhandlungsführer Sachsens in Wien und von daher Wilhelm ein Dorn im Auge. Wilhelm wollte Sachsen von der Bildfläche verschwinden lassen, Karoline auch. Besagter Klosterroda, mit etwa 10 Jahren verwaist, ist vom Vater von Novalis erzogen worden. C. F. v. Dacheroeden war auf Sachsen seit den 80er Jahren überhaupt nicht gut zu sprechen, selbst auf seinen Schwager Hopffgarten nicht, der eine Stiftswahl von Ernst Ludwig (Carolines Bruder) verhinderte. Hier war der Gegensatz: preußisch - sächsisch sehr stark.
      Vgl. Briefe IV 190; V 36; VI 540.
C. F. v. D. war auch vorsichtig gegenüber seiner Schwiegertochter, deren Großvater als sächsischer Offizier während des 7jähr. Krieges im Mansfeldischen eine Untergrundtruppe gesammelt hatte. Die Schwiegertochter, wiederverheiratete v. Zerssen, hat dann wohl auch mitgeholfen, die Verbindung von Theodor zu seiner Frau (Mathilde) zu bewerkstelligen, deren Familie z. T. sächsische Vorlieben hatte. Zu den Klosterroda ist mithin scharfer Abstand anzunehmen. Erstbegegnung wahrscheinlich auf dem Kongress, mit markanter Ablehnung. (Telefonisch:) Was aber gemeinsame private Geschäfte oder Eskapaden nicht ausschloss, wie die Beziehung zu Friedrich (von) Gentz seit Referendarszeiten zeigt.
[UvdB] Wenn ich das richtig sehe, waren die Schulenburg-Klosterroda kursächsische Vasallen, nicht mansfeldische (oder magdeburgische) wie Erdeborn und Schochwitz.
[UvdB] Bei Varnhagen van Ense bin ich sehr vorsichtig. Was er mitteilt, ist m. E. meist von nachgeordneter Hand.
   
1820 Zur Datierung vgl. z.B. Flitner/Giel WvH Werke in 5 Bänden, Bd. 5, S. 359
   
1820-06-29 Philipp Karl Buttmann (* 05.12.1764 - † 21.06.1829): außerord. Mitglied der Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften seit 25.05.1806 bis 02.08.1808, ordentl. Mitglied seit 15.08.1808; (Schwiegersohn von SELLE, Chr. G.) 1789 Gehilfe. 1796 Sekretär, 1811 Bibliothekar der Königlichen Bibliothek in Berlin. Zugleich von 1800-1808 Professor am Joachimthalschen Gymnasium in Berlin und von 1803-1812 Redakteur der Haude- und Spenerschen Zeitung. Lehrer des preußischen Kronprinzen. 1811-1826 Sekretar der Historisch-philologischen Klasse der Akademie.
   
1835-04-12 Gabriele von Bülow, Tochter Wilhelm von Humboldts. Ein Lebensbild, aus den Familienpapieren Wilhelm von Humboldts und seiner Kinder, 1791-1887. Seite 349